Das ca. 26‘000 km2 grosse Ruanda liegt im zentralen Afrika zwischen Kivu- und Viktoriasee. Das gebirgige „Land der tausend Hügel“ erstreckt sich auf Höhen zwischen 1400 und 4507 m (Karisimbi in der Gruppe der Virunga-Vulkane). Vielen von euch ist dieses Land wahrscheinlich nur durch den Grauen erweckenden Völkermord im Jahr 1994 in Erinnerung. Über 1 Mio. Tutsis und gemässigte Hutus vielen den rasenden Hutus zum Opfer. Mehr als drei Mio. Menschen flohen in die Nachbarländer. Die derzeitige Stabilität in Ruanda unter der starken Hand von Präsident Paul Kagame wird mit einem hohen Mass an autoritärer Herrschaft erkauft. Die juristische Bewältigung des Genozids über ein int. Kriegsverbrecher-tribunal in Arusha (Tansania) kommt nur schleppend voran. Die Bewältigung der Folgen des Völkermordes bleibt die grösste Herausforderung für Ruanda. Wichtigste Grundlage für eine stabile Entwicklung ist die Versöhnung. Durch schonungslose Aufklärung über die wahren Hintergründe des Genozids in Schulen und diversen Gedenkstätten scheint dies bis jetzt recht gut zu funktionieren. Trotz der vielen ausländischen Investoren und dem sichtbaren wirtschaftlichen Aufstreben des Landes, lebten im Jahr 2015 immer noch mehr als die Hälfte der Einwohner unter der Armutsgrenze. Ein weiteres Problem ist die mit jährlich 3% rasant anwachsende Bevölkerung.

 

Sonntag, 2.2.2019, der Grenzübertritt geht trotz chaotischen Verhältnissen recht zügig voran. Neue Gebäude sind in Bau, bis dahin werden die Formalitäten in weit verstreuten Containern und Baracken abgewickelt. Die ruandischen Behörden wollen unser Fahrzeug von innen etwas genauer besichtigen. Vorsichtshalber habe ich alle Plastiksäcke versteckt. In Ruanda sind diese schon seit 10 Jahren verboten. Nachdem die Zöllnerin einige Kisten voll mit Erich’s diversen Elektronikgeräten durchsucht hat, verliert sie das Interesse. Hauptsächlich wollte sie sehen, was sich in diesem Truck befindet. Nachdem noch weitere von ihr herbeigerufene Personen einen Blick hinein geworfen haben, können wir in Ruanda einreisen. Die Strecke zur Hauptstadt Kigali führt von über 2000 m hinunter auf ca. 1500 m durch fruchtbares, hügeliges Land. Riesige Teefelder bedecken die Täler. Sofort fällt uns die extreme Sauberkeit auf. Kein Fitzelchen liegt am Strassenrand. Wir beobachten Frauen, welche sogar die Gras- und Sandstreifen entlang der Strassen mit einem Besen von Laub und Abfall befreien. Jeder letzte Samstag im Monat ist „Umuganda" Tag an dem im ganzen Land auf Anweisung der Regierung von allen Ruandern gemeinschaftlich gemeinnützige Arbeiten verrichtet werden. Auch die Minister und sogar der Präsident beteiligen sich daran. In Ruanda scheint auch viel mehr reglementiert zu sein. Auf Moped-Taxis darf nur eine Person mitgenommen werden und nur mit Helm für Fahrer und Passagier. Sämtliche Taxifahrer (auch Velotaxis) müssen eine Lizenz haben, diese erkennt man an den speziellen, mit Nummern versehen von den Fahrern getragenen Westen. In Kigali suchen wir zuerst Geschäfte, welche Lastwagenbatterien verkaufen. Heute Samstag Nachmittag sind diese aber bereits geschlossen. Wir fahren deshalb gleich weiter zum Mamba Club, wo wir übernachten wollen. Dort angekommen ist allerdings kein Einlass möglich, eine Party ist im Gange. Auf dem Parkplatz vor dem Tor können wir vorübergehend stehen bleiben. Also stürzen wir uns ins Getümmel und auf wen treffen wir dort – das holländische Paar mit dem orangen Unimog. Vor mehreren Monaten haben wir sie in Mosambik kurz kennengelernt. Sie verweilen schon einige Wochen hier in Kigali. Marian hat eine heftige Nervenentzündung im Nacken und muss zur Ruhigstellung einen Halskragen tragen und viele Medikamente schlucken. Momentan ist an eine Weiterreise nicht zu denken. In der Hoffnung, dass es mit Physiotherapie und Ruhen besser wird, wollen sie noch ein paar Tage abwarten. Ansonsten werden sie über eine Rückkehr in ihre Heimat nachdenken müssen. Während immer mehr Partygäste (vorwiegend Weisse) eintreffen, tauschen wir Reiseerlebnisse aus. Der Mamba Club liegt mitten in einem Villenviertel wo hauptsächlich Expats wohnen und Botschaften sowie Hilfswerke angesiedelt sind. Die Live-Musik ist um 23 Uhr zu Ende, die Party geht aber lautstark weiter. An Schlaf ist nicht zu denken. Weit nach Mitternacht verlassen die letzten Gäste lärmend den Club. So finden wir wenigstens bis 6 Uhr früh noch etwas Schlaf bevor die ersten Motorradtaxis vorbei rattern.

 

Am Sonntag statten wir dem Kigali Genocide Memorial Centre einen Besuch ab, ein einschneidendes Erlebnis. Hier sind mehr als 250‘000 der über einer Mio. zählenden Opfer des Genozids bestattet. Die Ausstellung zeigt auf, wie es überhaupt zu diesem unvorstellbaren Völkermord kommen konnte. Die ehemaligen Kolonialherren Deutschland und vor allem Belgien sowie die Kirchen spielen dabei eine unrühmliche Rolle. Auch die int. Völkergemeinschaft hat kläglich versagt, sie hat das Massaker hilflos und ohne Mut zur Intervention verfolgt. Die Ausstellung ist erschütternd und zeigt schonungslos die Tatsachen auf. Mehrmals müssen wir mit den Tränen kämpfen. Für uns ist es einfach unvorstellbar, dass sich bisher friedlich zusammenlebende Nachbarn, Freunde und sogar Familienmitglieder niedermetzeln. In verschiedenen Räumen wird auch auf andere Völkermorde hingewiesen, leider gab es und gibt es immer noch unzählige Genozide in unserer Zeitgeschichte. Nach einer Rundfahrt in der mondänen Innenstadt mit mehreren moderner Hochhäuser fahren wir zurück. Hier ist der ganze Campingbereich mit Fahrzeugen der Restaurantbesucher vollgeparkt. Also suchen wir uns einen ruhigeren Ort für die nächste Nacht. Im südlichen Teil der Stadt, welche über mehrere Hügel verteilt ist, finden wir einen schönen Stellplatz mit wunderschöner Aussicht. Kigali ist mit San Franzisco zu vergleichen, nur liegt es nicht am Meer. In der Nacht zeigt sich uns ein phänomenales Lichtermeer.

 

Heute Montag machen wir uns auf die erneute Suche nach neuen Batterien. Dies ist gar nicht so einfach. Wir kurven kreuz und quer durch die lebendige Stadt von einem Geschäft zum anderen. Endlich nach einem weiteren negativen Bescheid, wird Erich von einem Kunden angesprochen. Dieser weiss wo wir fündig werden und begleitet uns zu einem Händler welcher dann auch tatsächlich zwei der speziellen LKW-Batterien an Lager hat. Die Installation dauerte zwei Stunden, weil die Anschlüsse angepasst werden mussten. Dies geschah unter der prallen Sonne auf offener Strasse. Erich hat genug für heute, also versuchen wir es nochmals im Mamba Club. Nun steht ein Stellplatz zur Verfügung und Marian und Wilbert sind auch noch dort. Zusammen gehen wir in ein Indisches Restaurant zum Nachtessen.

 

Dienstag, 5.2.2019, gegen 11 Uhr verabschieden wir uns von den Holländern und fahren nordwärts. Nach etlichen Kilometern sehr guter Teerstrasse bis auf 2200 m Höhe zweigen wir auf eine Piste ab, welche uns nach 16 km zum Ende einer Halbinsel im Lake Ruhondo führt. Die Fahrt zum Ruhondo Beach Resort bietet einigen Nervenkitzel. Wir müssen mehrere, nicht gerade vertrauenerweckende Holzstege überqueren. Erich kennt aber nichts und fährt unbeirrt weiter. Nach der staunenden Bevölkerung zu beurteilen, sind wir die ersten Touristen mit einem Truck, welche sich auf diese z.T. steil abfallende Strecke wagen. Im Resort erfahren wir dann, dass die Gäste normalerweise mit dem Boot vom nördlichen Ufer her anreisen. Die nervenaufreibende Fahrt hat sich aber gelohnt. Wir werden von freundlichem Personal auf einer gepflegte Anlage mit wunderschöner Aussicht auf die Virunga-Vulkane und mehrere Inseln begrüsst. Schon bald nach unserer Ankunft geht ein heftiges Gewitter nieder, der Strom fällt aus.

 

Eigentlich wollten wir hier einige Tage bleiben, der Wetterbericht ist aber nicht vielversprechend. Wenn die Erdstrasse durch Regen noch mehr aufgeweicht wird, werden wir mit unserem schweren Truck Probleme haben die rutschigen Aufstiege und Abfahrten zu bewältigen. Die Wolken ziehen sich bereits wieder bedrohlich zusammen. Kurz vor Mittag beschliessen wir deshalb, die Rückfahrt unter die Räder zu nehmen. In der Kleinstadt Musanze angekommen, staunen wir über die vielen modernen Gebäude. Vorerst fahren wir aber noch etwas weiter bis zum Red Rocks Camping. Das Camp wird von Harriet und ihrem Bruder geführt. Diese zwei jungen Ruander sind in Kalifornien aufgewachsen und helfen nun mit diversen Ausbildungs-Projekten ihre Heimat wieder aufzubauen. Das Camp ist farbenfroh bemalt und eingerichtet. Etwas später treffen Francoise und Alain ein. Im kleinen Ruanda, sieht man sich immer wieder. Wild campieren ist hier nicht gut möglich. Sobald man irgendwo anhält, ist das Fahrzeug innert kürzester Zeit von Einheimischen umzingelt. Demnach treffen sich die Individualreisenden in den wenigen Camps.

 

Donnerstag, 7.2.2019, wir wollen weiter, besuchen aber zuerst die Ausstellung beim Dian Fossey Gorilla Fund International in Musanze. Dian Fossey hat u.a. ganz in der Nähe im heutigen Virunga NP ihre Forschungen an Gorillas betrieben. Ihr Grab liegt ebenfalls im Nationalpark. Im kleinen Museum finden wir detaillierte Informationen über Gorillas sowie Leben und Arbeit von Dian Fossey. Über eine sehr gut ausgebaute Strasse entlang der Virunga-Vulkane geht es hoch und wieder runter bis nach Rubavu am nördlichsten Ende des Kivu-Sees. Vor dem Bürgerkrieg war dies ein mondäner Badeort, wo sich die Reichen des Landes vergnügten. Heute ist der nahe an der Grenze zur DR Kongo liegende Ort etwas verblasst. Wir fahren die immer noch prächtige von Palmen und Kapok-Bäumen gesäumte Uferpromenade entlang. Von den ehemals zahlreichen, herrschaftlichen Villen sind nur noch wenige erhalten. Weiter dem See entlang in Richtung Süden passieren wir die grosse Anlage der BRALIRWA-Brauerei. Das sehr schön gelegene Camp La Bella wo wir einige Tage verbringen wollten ist leider geschlossen. Deshalb fahren wir weiter auf dem unbefestigten Congo-Nile-Trail. Die 2011 eröffnete, 227 km lange Route entlang der Ostseite des Kivu-Sees ist eine sportliche Herausforderung für Wanderer, Mountainbiker und nur bedingt mit 4x4-Fahrzeugen zu befahren. Auf der Suche nach einer Unterkunft fahren wir aber weiter auf diesem Trail. Leider sind sie wenigen Lodges entweder völlig überteuert, wollen uns nicht oder die Einfahrt ist zu niedrig. Dann entdecken wir einen schönen, ebenen Stellplatz am Seeufer. Doch schon bald nach unserem Eintreffen kommen zwei Männer vom Dorf und verbieten uns hier zu bleiben. Also wieder alles fahrsicher machen und weiterfahren. Jetzt können wir es nur noch im 88 km entfernten Kirongi versuchen. Die Strecke bis zur nächsten Abfahrt auf die geteerte Hauptverbindung von Rubavu nach Kirongi wird immer ausgewaschener und felsiger. Es ist eine ziemliche Herausforderung an Erich’s Fahrkünste. In einem Dorf reagieren wir zu spät, und wir reissen ein zu tief hängendes Kabel herunter. Die Bewohner nehmen es allerdings locker und sind mit umgerechnet 5 Franken Entschädigung mehr als zufrieden. Nach einer quälenden Stunde erreichen wir endlich die Asphaltstrasse. Jetzt können wir wieder aufatmen und uns entspannen. Der Bau dieser Strasse ist eine Meisterleistung. Wir fahren hunderte von Kurven und immer wieder hoch und runter. Nur wenige andere Fahrzeuge kommen uns entgegen. Leider ist es bewölkt und neblig, so dass die ansonsten wunderschöne Sicht auf den Kivu-See meistens verhangen bleibt. Erst spät um 18 Uhr treffen wir im Bethany B Hotel in Karongi ein. Hier können wir unseren Truck auf einer Wiese direkt am See hinstellen. Was für ein idyllischer, ruhiger Ort, da werden wir ein paar Tage verbringen.

Im Hotel kann ich am nächsten Tag die Wäsche abgeben, aber auch hier wird alles von Hand gewaschen. In Afrika sind Waschmaschinen eine Seltenheit. Am Nachmittag trifft ein weiterer Camper ein, wen wundert‘s – es sind die Franzosen.

 

Am Samstag machen wir zusammen mit Francoise und Alain eine Bootstour. Elias, der lizenzierte Bootsführer fährt uns an zahlreichen, dem Festland vorgelagerten, meistens unbewohnten Inseln vorbei. Der erste Stopp ist bei der „Affeninsel“. Elias ruft „Monkey, Monkey“. Nach einiger Zeit taucht tatsächlich eine Grünmeerkatze auf und schnappt sich ein Stück Banane aus Elias Hand. Anscheinend wurden die Affen so antrainiert, um die Touristen zu unterhalten. Der zweite Stopp ist auf der Napoleon-Insel (die Form der Insel sieht dem Hut von Napoleon ähnlich). Wir erklimmen die steilen 100 m Höhendifferenz bis zur Spitze von wo sich uns atemberaubende Ausblicke über die Küste, die vielen Inseln und zur DR Kongo bieten. Nach zwei Stunden ist der Ausflug vorbei. Inzwischen sind mehrere Tagesgäste eingetroffen. Am späten Nachmittag ertönt ein tiefes Motorbrummen und ein oranger Unimog fährt auf die Wiese – die Holländer Marian und Wilbert sind eingetroffen. Zu sechst verbringen wir einen gemütlichen Abend mit Erzählen.

 

 

Heute Sonntag, 10.2.2019 ist es gewitterhaft. Alain und Wilbert brechen trotz der unsicheren Wetterlage zu einer Bike-Tour auf. Sie werden dann auch ordentlich geduscht. Ein 1-stündiges, heftiges Gewitter setzt die Wiese unter Wasser. Wir können uns zum Glück ins trockene und warme „House on Wheels“ verziehen.