Fr, 1.11.2019, früh um 4.30 Uhr geht das Spektakel wieder los. Der ganze Campingplatz befindet sich im Aufbruch, alle wollen nach Sossusvlei zum Sonnenaufgang. Wir drehen uns nochmals um und dösen genüsslich weiter. Als wir dann um 7 Uhr aufstehen, treffen wir einen schwarz verhangenen Himmel an und es sieht nach Regen aus. Was hatten wir doch gestern für ein Glück mit dem Wetter. Beinahe wäre es wieder passiert wie vor 20 Jahren. Damals mussten wir diesen Ort fluchtartig verlassen, weil es während der Nacht heftige Regenfälle gab und am morgen das Camp unter Wasser stand. Von der Schönen Dünenlandschaft haben wir nichts gesehen und wir waren sehr enttäuscht. Die Weiterfahrt führt uns nach Süden abwechselnd durch Sanddünen und schwarzen Felsmassiven. Zuerst passieren wir noch einige luxuriöse Lodges mit eigener Flugpiste und Heli-Landeplatz, dann wird es immer einsamer. Hier in der Nähe soll sich ein Schloss befinden. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Dann mitten im Niemandsland taucht auf einer Anhöhe ein burgartiges, aus rotem Bachstein gebautes Gebäude auf. Unglaublich! Nach nur einem Jahr Bauzeit konnte Baron Hansheinrich von Wolf sein Herrenhaus «Duwisib» im Jahr 1909 beziehen. Das gesamte Mobiliar wurde aus Deutschland importiert und auf Ochsenkarren in die Wüste gebracht. Rittersaal, Herrenzimmer, Bibliothek, Biedermeiersalon, ein Innenhof mit kleinem Pool, nichts fehlt. Heute kann man in einem der zahlreichen Zimmer übernachten, auch ein Restaurant wurde eingerichtet. Entlang der Grenze zu Naukluft NP fahren wir weiter. Jetzt fallen auch ein paar Regentropfen und plötzlich kommt ein heftiger Sandsturm auf. Teilweise sehen wir nur noch fünf Meter weit. Zum Glück dauert der Spuk nicht lange an und wir können unsere Fahrt fortsetzten. Nach 284 Kilometern Pistenfahrt sind wir müde und wir suchen uns einen geeigneten Stellplatz für die Nacht. Das Wetter klart nun wieder auf und der böige Wind hat sich auch gelegt.

 

Am nächsten Tag ist es nicht mehr weit, bis wir auf die Teerstrasse nach Lüderitz stossen. Diese führt schnurgerade, immer abwärts zum Atlantik. In der Umgebung der Quelle Garub sehen wir eine Gruppe der berühmten Namib-Wildpferde. Woher die Pferde ursprünglich kommen ist nicht erforscht. Die wahrscheinlichste Variante sieht sie als Nachkommen von Schutztruppenpferden, nach den Aufständen in die Freiheit entlassen wurden. Einen weiteren Halt machen wir in Kolmanskop, eine Geisterstadt aus der Zeit des Diamantenfiebers zwischen 1908 und 1945. Das Jugendstil-Dorf ist dank qualifizierter Handwerker und trocknem Klima gut erhalten geblieben. Man kann sämtliche Wohnhäuser inkl. Krankenhaus, Bäckerei, Metzgerei und Laden besichtigen. Z.T. ist das Mobiliar noch vorhanden. Der Sand hat aber meistens die Herrschaft wieder übernommen und die Räume sind mit kleinen Sanddünen aufgefüllt. Das Kasino mit Kegelbahn wurde auch als Turnhalle, aber vor allem für gesellschaftliche Anlässe genutzt. Wie Bilder bezeugen wurden rauschende Feste, wie z.B. an Sylvester, gefeiert. Als nach dem Krieg die Diamanten-Abbaurechte verstaatlicht wurden, verliessen alle Bewohner Kolmanskop und verkam zu einer Geisterstadt. Nun geht’s weiter über eine Anhöhe und dann sehen wir in der Ferne das Ufer des Atlantiks. Lüderitz ist schnell erreicht. Entlang der schroffen Küste fahren wir mehrere schöne Buchten und Aussichtspunkte an. Auf einer kleinen, vorgelagerten Insel lebt eine Kolonie von Pinguinen. Auch dem Diaz Point mit seinem alten Leuchtturm statten wir einen Besuch ab. Im Jahr 1487 landete der portugiesische Seefahrer Bartolomeu Diaz als erster Weisser mit einer kleinen Schiffsflotte in dieser Bucht. Der Wind bläst in stürmischen Böen und das Meer ist mit Schaumkronen bedeckt. In der Knochenbucht finden wir einen schönen Platz wo wir uns hinstellen. Es wird eine unruhige Nacht, mit Schlafen ist nichts. Der Wind rüttelt an unserem «Haus» und pfeift um die Ecken.

 

Am Sonntag besichtigen wir die Altstadt von Lüderitz mit den gepflegten Kolonialbauten in verschiedenen Pastelltönen. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Strassennamen sind auch alle deutsch. Nach einem Abstecher an die Angate Beach, wo wir einen ausgiebigen Strandspaziergang machen, meldet sich der Hunger. Im portugiesischen Fischrestaurant werden uns fangfrische Meeresfrüchte serviert. Wie beginnen mit überbackenen Austern. Auch der Meeresfrüchte-Eintopf mit Langusten, Riesencrevetten, Calamari, Fisch und Gemüse ist extrem gut. Dazu ein kühler Weisswein und mit Aussicht aufs Meer, einfach perfekt! Vier Schweizer gesellen sich zu uns an den Tisch und schon ist ein angeregtes Gespräch im Gange. In bester Stimmung machen wir uns dann auf den Weg nach Aus. Das Camp Klein-Aus ist leider ausgebucht, aber im Dorf finden wir noch ein schönes Areal, wo wir noch Platz finden. Wie oft in Namibia haben wir auch hier unsere eigene Du/WC.

 

Mo, 4.11.2019, auf einer schnurgeraden, stetig ansteigenden Strasse geht es nun nach Osten. Das im Jahr 1866 von der Rheinischen Missionsgesellschaft gegründete Keetmanshoop ist heute eine kleine Stadt und liegt im Herzland der Karakulzucht. Heimat der Karakulschafe ist Zentralasien. Deren Fell ist bei uns als «Persianer» bekannt. Karakuls sind genügsam und ertragen grosse Hitze wie auch Kälte. Der trockene Lebensraum Namibias eignet sich deshalb hervorragend für die Zucht und nach dem Pelzboykott in Europa und Amerika in den 1980er und 1990er Jahren floriert der Markt nun wieder. Wir fahren noch etwas weiter nach Osten zum Mesosaurus Park. Mesosaurier lebten vor 280 – 320 Mio. Jahren und waren im Wasser lebende, bis zu 35 cm lange Reptilien. Die Versteinerungen dieser Tiere wurden durch Zufall vom Farmbesitzer entdeckt. Mitten in einem Köcherbaumwald dürfen wir campieren. Im Abendlicht sind diese besonders schön anzusehen, die Baumrinde schimmert wie Blattgold.

 

Pünktlich um 9 Uhr am nächsten Morgen, erwartet uns Cien, der Farmer, am Eingang. Er fährt uns in seinem Toyota zu den Fundstellen und zeigt uns Gesteinsplatten in denen wunderschön erhaltene Mesosaurus-Skelette zu sehen sind. Die schönsten Exemplare sind heute in diversen Museen ausgestellt. Auf dem Farmland befindet sich auch ein Irrgarten aus Felsbrocken, aus zu Fantasieformen erodiertem Granit. Wenn man mit einem Stein darauf schlägt, erzeugt jeder Block einen anderen Klang. Cien spielt uns einige Melodien darauf vor. Zwischen den Steintürmen wachsen mehrere tausend Köcherbäume. Diese endemischen Aloen können bis zu 300 Jahre alt werden und erreichen eine Höhe von bis zu 9 Metern. Angeblich fertigten die «San» ihre Pfeilköcher aus deren Äste, indem sie den faserigen, schwammigen Inhalt herauslösten. Deshalb die Bezeichnung Köcherbaum. Nach einem kurzen Einkaufsstopp fahren wir weiter und vorbei an der Kristall-Destillerie. Die Anlage muss relativ neu sein. Alle Pflanzungen sind mit Bewässerungsanlagen ausgestattet. Grosse Flächen sind mit Dattelpalmen, Reben und anderer Gewächse bepflanzt, welche für die edlen Brände Verwendung finden. Da wir bereits die Kristall-Kellerei in Omaruru besucht haben, fahren wir weiter. Am Ufer des Naute Dam finden wir einen abgeschiedenen, sehr schönen Stellplatz. Eine ergiebige Regenzeit ist dringend nötig, da der Wasserstand extrem niedrig ist.

 

Mi bis Fr, 6. – 8.11.2019, unterwegs kündigt ein Schild guten Kaffee und Apfelstrudel an. Das tönt verlockend und wir halten auf der Mount Canyon Farm an. Der Strudel entpuppt sich dann allerdings als eine Art Streuselkuchen, aber der Kaffee ist gut. Die Farmersfrau ist sehr gesprächig, wir diskutieren über das Klima, die Politik und die schleichende Invasion der Chinesen. Wenn man in dieser Einsamkeit lebt, ist man wohl über jeden Gesprächspartner froh. Auf dem Farmgelände kann man auch in Bungalows, welche wie Unterwassertauchglocken aussehen übernachten. Einige rostige Oldtimer und sonstiges antikes Gerät stehen zur Dekoration herum und im Laden werden Souvenirs zum Verkauf angeboten. Unser nächstes Ziel ist der Fish River Canyon. Am Eingang buchen wir zuerst einen Stellplatz im Camp und fahren dann zum ersten Aussichtspunkt. Was wir da zu sehen bekommen verschlägt uns den Atem. Das breite Tal entstand durch Absenkung des Geländes, der unterste, schmale Teil der Schlucht hat sich der Fisch Fluss dann selbst geschaffen. Unzählige Biegungen und Windungen verlieren sich ohne Ende in der Ferne. Nach dem Grand Canyon in den USA ist der Fish River Canyon der zweitgrösste der Welt. Ich wage zu behaupten, dass dieser hier spektakulärer ist, obwohl nur 161 km lang und ca. 550 m tief. Der Grund dafür ist wahrscheinlich auch, dass man hier überall bis an den Rand der Schlucht gehen kann. Keine Abschrankungen versperren einem den Zugang, was allerdings auch nicht ganz ungefährlich ist.

 

Am nächsten Morgen fahren wir noch vor dem Frühstück zum Canyon, dieses nehmen wie dann an einer besonders spektakulären Stelle ein. Anschliessend fahren wir weiter durch die karge Bergwelt bis nach Ai-Ais. Wie eine Fata Morgana taucht im Tal, nach einer steilen Abfahrt eine grüne Oase auf. Ai-Ais ist eine 65 Grad heisse Thermalquelle. Hier wurde eine grosse Anlage mit Bungalows, Zeltplatz, Aussenschwimmbecken, Hallenbad, Spa und Restaurant erstellt. Obwohl das Wasser auf erträgliche Temperaturen heruntergekühlt wird, ist ein Bad darin nicht gerade erfrischend. Wir planschen trotzdem darin herum, soll es doch gut gegen Rheuma sein. Im Camp tummeln sich freche Paviane, die alles stehlen was irgendwie essbar ist. Auch Katzen und Vögel betteln nach Essen. Am zweiten Abend treffen Birgit und Rainer mit ihrem MB- 1017 Truck ein. Unsere Vermutung, dass dieser aus der Werkstatt von Herbert Füss in Bingen-Hitzkofen stammt, bestätigt sich dann im anschliessenden Gespräch. Auch wir besassen mal einen 1017 von Herbert.

 

Sa/So, 9./10.11.2019, auf guter Piste geht’s weiter nach Süden. Wir nähern uns dem Orange River, dem Grenzfluss zu Südafrika, welcher mit knapp 2200 km Länge der längste Fluss Südafrikas ist. Rund um Aussenkehr ist ein riesiges Anbaugebiet von Tafeltrauben. Dank dem nicht versiegenden Flusswasser, können diese genügend versorgt werden. Etwa 30 Kilometer weiter, im direkt am Fluss gelegen Amanzi-Camp, verbringen wir die letzten beiden Tage in Namibia.