Do/Fr, 3./4.10.2019, auf dem Weg nach Ruacana machen wir einen Abstecher zu den Ruacana-Wasserfällen (700 m breit, 120 m hoch). Wenn es Wasser hätte wären sie imposant, aber z. Z. fliesst nur ein Rinnsal die Felsen hinunter. Im Ort versuchen wir unsere Vorräte aufzustocken. Das erweist sich aber als schwierig. Im Tankstellen-Shop erhalten wir immerhin Wasser, Bier und ein paar Konserven. Früchte und Gemüse sind in dieser Gegend kaum erhältlich. Das hier ansässige Himba Volk ernährt sich vorwiegend von Kuhmilch, Fleisch und Maismehl. Die Piste führt weiter dem Kunene-Fluss entlang, z.T. sehr steil rauf und runter. Wir passieren mehrere Himba-Siedlungen. Die Frauen sind barbusig und nur mit einem ledernen Hüftrock bekleidet. Im zu kleinen Zöpfen geflochtenen Haar tragen sie Lederschmuck, wobei die Formen über ihren Zivilstand informieren. Ihre Haut pflegen sie mit einem Gemisch aus Rotholzpulver und Butter, so dass die Haut glatt und glänzend aussieht. Der Körper wird mit dekorativen Messingringen geschmückt. Über Brust und Rücken hängen mit Eisenperlen verzierte Lederstreifen. In der Kunene River Lodge bleiben wir dann zwei Nächte. Hier lernen wir Sandra und Erhard aus Belp und eine deutsche Familie kennen. Ein grosser, ca. 150 cm langer Leguan und freche Meerkatzen leisten uns Gesellschaft. Es ist sehr heiss, zum Glück können wir uns im Pool erfrischen. Am zweiten Tag sind die Schweizer wieder einmal in der Überzahl. Eine 10-köpfige Gruppe belegt einen Grossteil des Campingplatzes.

 

Am Samstag fahren wir dann weiter im wunderschönen Flusstal Richtung Westen. Früher war die Strecke in sehr schlechtem Zustand und während der Regenzeit zeitweise unpassierbar. Vor drei Jahren wurde die Piste ausgebaut, so dass die Fahrt zu den Epupa-Wasserfällen nur noch wenige Stunden dauert. Die Querung von Flussläufen ist nun problemlos zu bewältigen. Von hohen Palmen und Bäumen gesäumt, schlängelt sich der Kunene als grünes Band durch ein ansonsten karges trockenes Gebiet. Das Tal ist sowohl in Namibia wie auch in Angola von Bergen eingefasst. Die Zebraberge in Namibia erkennt man sofort. Durch Erosion hat sich Geröll von den Basalt-Bergen gelöst und Bahnen in die Vegetation gerissen. Das sieht dann wie ein Zebrafell aus. Die Gegend ist nur spärlich besiedelt. Die Himbas sind sehr geschäftstüchtig. Sie wissen, dass die Touristen sie gerne fotografieren. Pro Foto verlangen sie ca. 30 Rappen. Wir geben ihnen lieber Maismehl, Salz und andere Lebensmittel. Ein Schild am Pistenrand preist eiskaltes Bier an. Das lassen wir uns nicht entgehen und stoppen. Nach der Erfrischung geht’s weiter und nach kurzer Zeit entdecken wir direkt am Fluss einen wunderschönen Platz zum Campieren. Stromschnellen bringen das Wasser zum Schäumen und in den Felsen haben sich kleine Badewannen gebildet. Krokodile sollte es in diesem unruhigen Wasser nicht haben, also wagen wir uns ins kühle Nass – herrlich! Am Abend türmen sich im Osten schwarze Gewitterwolken, heftiger Wind kommt auf. Doch am nächsten Morgen ist der Himmel wieder klar und die Sonne brennt bereits heiss auf uns nieder.

 

So/Mo, 6./7.10.2109, bis Epupa sind es nur noch 30 Kilometer und wir erreichen den kleinen Ort bei den Wasserfällen schon vor Mittag. Der Campingplatz liegt nur wenig Meter von der 60 m tiefen Schlucht entfernt. Das Tosen der Wassermassen, welches hier 35 m in die Tiefe stürzt ist deutlich zu hören. Hohe Palmen und Fieberbäume schützen vor der starken Sonne und ein grosser Pool lädt zum Baden ein. Einem hier lebenden älteren Herrn erzählen wir, dass wir im Kunene gebadet haben. Er sieht uns ganz komisch an und erklärt, dass er schon gesehen hat, wie Krokodile auf Felsen klettern und auch vor Stromschnellen nicht zurückschrecken. Uns wird etwas mulmig, anscheinend hatten wir gestern grosses Glück?! Vor über 20 Jahren waren wir schon einmal hier. Es hat sich einiges geändert. Damals badeten wir auch im Kunene, in den grossen Pools oberhalb der Wasserfälle. Anstelle des damaligen Camps gibt es jetzt drei neue und auf einer Erhöhung wurde eine luxuriöse Lodge gebaut. Plötzlich ruft jemand und am Zaun zum nächsten Camp erscheint Andri aus Berlin. Er und seine Frau Silvie kommen dann auf einen Drink vorbei. Gegen Abend treffen noch mehr Gäste ein. Neben uns stehen zwei Familien aus Deutschland, wir haben nette Gesellschaft.

 

Nach zwei Tagen in diesem kleinen Paradies nehmen wir die 185 Kilometer Piste bis Opuwo in Angriff. Der Strassenzustand ist recht gut und wir kommen zügig voran. Unterwegs treffen wir auf David und Francine aus England. Vor wenigen Tagen erst haben sie ihre geplante 1 ½-jährige Reise durch Afrika in Walvis Bay begonnen. Ihre Route mit einem grossen MAN kann man unter www.catch-the-wind.com mitverfolgen. In Opuwo angekommen kaufen wir ein und besorgen Bargeld. Auf einem Hügel mit wunderschöner Aussicht ins Kaokoveld liegt die Country Lodge mit Campingplatz. Hier lässt es sich gut leben, im Liegestuhl vor dem Infinitiy-Pool und einem kühlen Drink. Da wir wie meistens nicht vorreserviert haben, müssen wir die zweite Nacht auf dem Parkplatz verbringen, dafür kostet es nur die Hälfte. Hier trifft sich ein buntes Völkchen an Touristen aus aller Welt. Das Essen im Restaurant ist hervorragend, besonders das Antipasti-Buffet mit viel Meeresfrüchten ist sehr lecker. Auch der Wäscheservice ist perfekt, Bügeln inklusive.

 

Do, 10.10.2019, in der Stadt versorgen wir uns nochmals mit Frischwaren. In der nächsten Zeit werden wir keine Einkaufsmöglichkeiten mehr haben. Opuwo ist ein Schmelztiegel verschiedenster Kulturen. Halbnackte Himbas treffen auf in mehrere Stoffschichten gekleidete Herero. Dazwischen sieht man modern gekleidete junge Leute und abenteuerlustige Touristen. Es herrscht ein buntes Treiben. Für uns geht’s jetzt aber ab in die Einsamkeit – ins Kaokoveld, wohin sich nur wenige Reisende verirren. Nach 30 Kilometern guter Piste wird es zunehmend steinig. Entlang der ausgetrockneten Flussläufe muss immer noch Grundwasser vorhanden sein. Hier wachsen hohe Palmen und die Büsche sind belaubt. Es hat auch vereinzelt kleine Ansiedlungen. Besonders das Houranib-Flusstal ist sehr malerisch. Die Felsmassive im Hintergrund sehen aus wie Marmorkuchen. Danach macht die Piste einen Rechtsschwenk und hinter der Biegung zeigt sich uns eine völlig andere Landschaft. Die Farbe Grün fehlt hier komplett. Die ehemalige, spärliche Vegetation ist verdorrt, alles ist grau/braun und Schiefergestein herrscht vor. Hier scheint Leben vollkommen unmöglich zu sein. Trotzdem sehen wir vereinzelt verlotterte Hütten und Ziegen, welche unermüdlich nach etwas essbarem suchen. Ein magerer, geschwächter Esel liegt am Wegrand, ob er noch lange überleben wird? Nach 150 anstrengenden Kilometern über «Stock und Stein» stehen wir auf einer Anhöhe mit atemberaubender Rundsicht. Hier bleiben wir über Nacht.

 

Am folgenden Tag wird es noch ruppiger. Eine steile und steinige Passage führt ins nächste Tal hinunter. Durch Erosion bildeten sich tiefe Spalten und Löcher. Jemand hat diese mit grossen Felsbrocken aufgefüllt. Im Schritttempo rutschen wir um die engen Kurven. Wir sind froh, als wir endlich die sandige Ebene erreichen. Hier treffen wir auf Giraffen, Zebras und Springböcke. Nahrung finden sie anscheinend an den wenigen laubtragenden Büschen und Akazien. Nun geht’s in schnellerem Tempo vorwärts. Wir hoffen, das Schlimmste überstanden zu haben, aber weit gefehlt! Schon bald geht es auf immer steiniger und steiler werdender Strecke bergauf. Spitze Schieferschichten, welche schräg aus dem Boden ragen gestalten die Fahrt zu einem Hindernislauf. Nach einer sehr steilen Auffahrt, oben am Rooidrum-Pass sieht es dann aus, als ob für uns kein Weiterkommen möglich ist. Erich versucht es trotzdem. Mit unseren 2.4 m Breite kommen wir nur äusserst knapp zwischen den Felsen hindurch. Erich wird stark gefordert und unser Truck muss wieder einmal unglaubliches aushalten. Meine Verfassung ist schon länger auf dem Nullpunkt. Nach einer unendlich scheinenden, qualvollen Zeit erreichen wir endlich flacheres und sandigeres Gelände. Ab dem Wegpunkt «Red Drum» führt der Weg durch verstreute Himba-Siedlungen und dann ins Marienfluss-Tal. Wow, welch ein Anblick! Ein mehrere Kilometer breites, sandiges Tal, eingefasst von hohen Bergkämmen liegt vor uns. Der Sand leuchtet in Farbschattierungen von goldgelb bis tief rot. Hellgrüne Büsche bilden Kontrastpunkte. Nach diesem sehr anstrengenden Tag suchen wir bald einen Stellplatz zwischen Bäumen. Es herrscht absolute Stille, nur ein schwacher Wind säuselt um unsere Ohren. Wir sind weit und breit die einzigen menschlichen Wesen.

 

Sa, 12.10.2019, in hohem Tempo geht es über den flachen Sand. Es ist beinahe wie fliegen. Erinnerungen an unsere Fahrten durch die Sahara kommen auf – herrlich! Immer wieder sehen wir kreisrunde, unbewachsene Flächen. Das sind so genannte «Feenkreise». Der Ursache dieser Rondellen blieb für die Wissenschaft lange ein Rätsel. Sind es Einschläge von Meteoritenschauer? Oder durch Wolfsmilchgewächs vergiftete Stellen? Schliesslich fand man heraus, dass in ca. 7.5 Meter Tiefe eine besondere Termitenart lebt. Diese ernähren sich nur von einer bestimmten Grasart, welche an diesen Stellen wächst. Von unten graben sie sich schräg an die Oberfläche und ernten das Gras. Nach etwa einer Stunde nimmt die Vegetation wieder zu. Auch treffen wir wieder auf Gazellen. Etwas später sehen wir Himbas und bald darauf erreichen wir das Syncro-Camp am Kunene-Fluss. Nun sind wir wieder an der angolanischen Grenze, etwa 100 Kilometer östlich von Epupa. Wir werden von vielstimmigem Vogelgezwitscher begrüsst. Diese grüne Oase erscheint einem wir ein Wunder. Der Kunene führt allerdings nicht mehr viel Wasser, Krokodile tummeln sich aber trotzdem darin. Das Syncro-Camp wurde vom Schweizer Paar Sarah und Ryan geleitet. Heute leben sie mit ihrem Kind wieder in der Schweiz. Für uns ist es unvorstellbar, hier, mehrere Tage anstrengender Autofahrt vom nächsten grösseren Ort entfernt, ohne Strom und anderem Komfort zu leben. Anhand dem Gästebuch sehen wir, dass nur sporadisch Touristen diese lange Anreise wagen. Das Camp führen heute ansässige Leute. Alles ist sehr sauber und gepflegt. Einige Himbafrauen aus dem Dorf kommen ins Camp und zeigen uns ihren handgefertigten Schmuck. Wir kaufen ihnen eine Kleinigkeit ab. Andere Einnahmequellen gibt es wohl kaum für sie.

Während der Nacht hat es gestürmt, aber Regen gab es nicht. Am Morgen verabschieden wir uns von dieser Idylle. Die Fahrt zurück durchs Mariental geniessen wir in vollen Zügen. Danach nehmen wir aber einen anderen Weg und fahren zuerst Richtung Westen und zweigen dann südwärts ab. Wir queren mehrere «Riviere» (momentan trockene Flussläufe) und gelangen in eine unendlich scheinende Steinwüste. Den ganzen Tag sehen wir keine Lebewesen. Diese Nacht verbringen wir irgendwo in diesem Niemandsland.

 

Mo, 14.10.2019, bis Orupembe ist es nicht mehr weit. Je mehr wir uns dem Ort nähern, desto mehr verendete Kühe und Ziegen liegen am Wegrand. In dieser staubtrockenen Gegend ist das ja nicht verwunderlich. Orupembe besteht aus einer Polizeistation, drei Hütten und einem Mini-Laden. Eine Herero zeigt uns stolz «ihren Laden». Zu kaufen gibt es Zucker, Corned Beef, Süssigkeiten und Toilettenpapier. Im stromlosen Kühlschrank steht eine angebrochene Cola-Flasche. Die Piste führt nun im oder am Rand des trockenen Chumib Flusses. Die Landschaft ist hier wieder abwechslungsreicher. An einer Wegkreuzung hat sich eine Himbafamilie niedergelassen. Obwohl hier wahrscheinlich sehr selten jemand vorbeikommt, haben sie einen grossen Verkaufsstand mit allerlei handgefertigten Dingen aufgebaut. Sie freuen sich sehr, als wir ihnen Maismehl und Zucker geben. Die Frauen legen extra ihren Schuck an, damit wir sie in vollem Staat fotografieren können. Nachdem wir einen kleinen Pass überquert haben, kommen wir ins wunderschöne, grüne Tal des Hourasib. Trotz der Trockenheit wachsen hier hohe Palmen und Giraffen, Springböcke und Strausse scheinen noch genug Futter zu finden. Ein Zebra hat es allerdings nicht geschafft, es liegt verendet hinter einem Felsen. Dann nähern wir uns Purros, vermehrt treffen wir nun auf Menschen und Haustiere. Im schönen Community Camp übernachten wir als einzige. Leider besuchen uns keine Wüstenelefanten, von denen auf grossen Tafeln gewarnt wird.

 

Am Dienstag fahren wir weiter, zuerst an der Siedlung Purros vorbei und dann ins Gomadummi-Flusstal. Die ebene Sandpiste erlaubt schnelles Fahren. Langsam ändert sich die Landschaft und es geht bergauf und wird felsiger. Von weitem sehen wir etwas an einem Felsüberhang baumeln, ein Mensch? Aus der Nähe erkennen wir dann tatsächlich eine menschenähnliche Gestalt, gebildet aus Steinen und Holz, zusammengehalten mit Draht. Wer wohl auf diese Idee kam? Nach der Überquerung eines Passes nähern wir uns Sesfontein. Wir besuchen das ehemalige deutsche Fort. Im Krieg wurde es bis auf die Mauern zerstört. 1995 ist es dann zu einem hübschen Hotelkomplex ausgebaut worden. Im palmenbestandenen Innenhof kühlen wir uns bei einem grossen «Rock Shandy» ab. Weiter geht’s in die Khowarib-Schlucht. Hier hat es sogar noch etwas Wasser, die Hitze ist aber unerträglich, also fahren wir weiter nach Palmwag. Das dortige Camp ist ausgebucht. Nur ca. 5 Kilometer weiter finden wir aber einen super Platz an einem kleinen Wassertümpel, umgeben von hohen Palmen.

 

Mi, 16.10.2019, schon früh am Morgen merkt man, dass es wieder ein heisser Tag werden wird. Die Fahrt nach Twyfeltontein ist kurzweilig. Zu den dortigen Sehenswürdigkeiten führen dann aber höllische Wellblechpisten. Unser erstes Ziel ist das «Wondergat»-Loch, ein mehrere 100 m tiefer Kamin. Durch einen unterirdischen Fluss bildete sich eine Höhle, diese ist dann eingebrochen. Hier sollte man nicht hineinfallen, eine Bergung ist unmöglich. Inzwischen ist es unerträglich heiss, der Wind fühlt sich wie ein Heissluftgebläse an. Deshalb begeben wir uns gleich zum Abu Huab Zeltplatz und warten ab, bis es kühler wird. Am späten Nachmittag besichtigen wir dann den «Burnt Mountain» (ein schwarzer Steinhaufen) und die «Organ Pipes» (bis zu 5 m hohe, über 100 Mio. Jahre alte Basaltsäulen). Beides ist nicht sehr spektakulär. Jetzt brauchen wir einen Drink. Diesen bekommen wir in der Country Lodge. Die Lage dieser Hotelanlage ist atemberaubend. Sie ist zwischen grosse Felsbrocken hineingebaut. Auch der Zugang führt zwischen Felsen hindurch und dann gelangt man in ein Paradies mit Pool und grünem Rasen. Erst nach Sonnenuntergang treffen wir in unserem Nachtlager ein.

 

Heute müssen wir wieder einmal einkaufen. In Khorixas erhalten wir alles Nötige und können auch tanken. In Namibia ist auffällig, wie oft gebettelt wird, vor allem vor den Supermärkten. Das kann ganz schön nervig sein, allerdings tun uns die abgezehrten Gestalten auch leid. Manchmal geben wir ihnen etwas zu essen. Seit über einer Woche treffen wir hier wieder auf Asphaltstrassen. 50 Kilometer weiter geht es aber schon wieder auf eine Piste zu den «Vingerklip». Die Gegend würde sich sehr gut als Kulisse für Western-Filme eigenen. Durch Erosion bildeten sich einige der Tafelberge zu Felsfinger. Der grösste ragt über 15 Meter in den blauen Himmel. Der Umweg hat sich gelohnt. Die Piste führt weiter durch ehemalige Farmen zurück zur Hauptstrasse. Schon bald biegen wir auf eine weitere Piste Richtung Süd-Westen ab. Etwas abseits entdecken wir kugelförmige Felsen. Querfeldein fahren wir dorthin und finden einen schönen, ruhigen Übernachtungsplatz. Erich sucht Holz für’s Lagerfeuer und ich trage unsere Erlebnisse im Tagebuch ein.